Photovoltaik im Altort?

Die MM hat in der letzten Gemeinderatssitzung Photovoltaik-Anlagen im Geltungsbereich der Altortsatzung (hier verkürzt „Altort“) abgelehnt. Zu dieser Frage erreichte mich vor einigen Tagen ein Schreiben, das der MM vorwarf, die MM würde dadurch die Energiewende verhindern wollen.
Hier meine Antwort als offener Brief, der nochmal verdeutlichen soll, weshalb wir Photovoltaik-Anlagen im Altort kritisch sehen:

Lieber Herr … / Liebe Frau ….
schade, dass Sie nicht mehr in Margetshöchheim wohnen, ich hätte gern zugehört und mit Ihnen argumentiert, denn ich schätze engagierte Positionen, auch wenn sie mir widersprechen. Und ich versichere ihnen, dass wir uns die Position gegen Solaranlagen im Altortbereich nicht leicht gemacht haben. Ob wir uns „weise“ positioniert haben, kann ich nicht sagen, da die Argumentation nicht auf absoluten Werten aufbaut, sondern auf ökologischen oder sozialen Wertschätzungen, teilweise auch auf rechtlichen Setzungen. Weise bedeutet, dass man souverän über den Dingen steht, dazu fühle ich mich nicht in der Lage.

Zunächst möchte ich mir überlegen, welche Argumente, genauer welche Werte gegen unsere Argumentationslinie stehen, wobei ich wahrscheinlich diese nicht vollständig referiere:
1. Photovoltaik-Anlagen sind im Bereich der alternativen Energien etwas, das jeder Bürger und jede Bürgerin sich auf das Haus bauen lassen kann. Es ist etwas, wo man auch im Kleinen etwas zur Energiegewinnung tun kann.
2. Man trägt damit zu dem unbedingt notwendigen Systemwechsel bei, der jetzt lange Zeit stiefmütterlich behandelt worden ist.
3. Diese primär ökologischen Argumente lassen sich noch durch ein liberales Argument ergänzen, dass ein jeder auf seinem Grund und Boden oder auf seinem Haus alles tun kann und soll, sofern es nicht die Rechte anderer einschränkt.
Ich als Vertreter der MM muss zwischen zwei konkurrierenden Wertbereichen abwägen, einmal dem Wert, den Umweltenergien im Ortskern gerade im Kontext von Klimawandel und dem Ukrainekrieg leisten können, und dem Wert, den ein gewachsener Ortskern und eine bestehende Stadtlandschaft für das ästhetische Empfinden und das Identitätsgefühl darstellen.
Angenommen es ginge bei dieser Entscheidung um Menschenleben und es gäbe keine Alternativen, dann wäre ich sofort bei Ihnen und würde meine Bedenken gegenüber Photovoltaik im Altort sofort über Bord werfen.

Doch dem ist nicht so, auch wenn der Klimawandel ein äußerst dringendes Problem darstellt.
1. Um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten, wäre es sicher effizienter, sich an größeren Projekten zu beteiligen, z.B. Beteiligung an Solarflächen außerhalb der sensiblen Gebiete oder Beteiligung an Windkraftanlagen. Auf diesen Flächen lassen sich Solarmodule besser ausrichten bzw. können Windkraftanlagen die Energie besser abschöpfen. Wenn Ihnen das Thema „Stopp dem Klimawandel“ bzw. Ersatz von Gas und Kohle wichtig ist, dann sollten Sie primär dort Geld investieren. Das würde ich jedermann empfehlen, übrigens so habe ich auch investiert, wobei ich mein Beispiel nicht in den Vordergrund stellen will.
Diese Argumentationslinie hat auch die MM im Bauausschuss und im Gemeinderat gefahren, wobei sie forderte, dass die Gemeinde für all jene, die durch die Altortbestimmungen keine Photovoltaik-Anlage aufs Haus setzen dürfen, Ersatzflächen suchen soll. Das ist sicher nicht ganz einfach, aber möglich. Zusätzlich sollen am Rande Margetshöchheims größere Solarprojekte realisiert werden, die MM und auch andere Fraktionen im Gemeinderat wollen sich dafür einsetzen, dass sich Bürger und Bürgerinnen hier in Margetshöchheim daran beteiligen können.
2. Ein weiteres Argument liefert die Praxis der Altortsanierung selbst. Um die Gebäude und die Dachlandschaft zu erhalten, haben Eigentümer und die Gemeinde viel Geld ausgegeben, um die Dächer mit roten Tonziegeln auszustatten. Manche haben sogar versucht, mit alten passenden Ziegeln ihre Häuser in die Dachlandschaft einzupassen. All das ist aber eigentlich wertlos, wenn ich die Dachoberfläche mit Solarpanelen abdecken darf. Für jene, die sich hier engagiert haben, ist diese Kehrtwende der Gemeinde mehr als unverständlich.
3. Der dritte Aspekt ist die Frage nach dem persönlichen Gewinn. Dieser Wertaspekt ist nicht ehrenrührig, auch ich investiere dort, wo es Gewinne möglich sind, aber dieser Wert konkurriert mit anderen Werten und steht meines Erachtens unter den Werten „Ästhetische Wahrnehmung“ und „Identitätsfindung“. Aus diesem Grund habe ich auch die Hürden für diesen Aspekt aufgezeigt, die insbesondere von den Vorgängerregierungen den Kleinprojekten im Bereich Wind und Sonne in den Weg gelegt wurden. Die MM und auch ich sind der Ansicht, dass eine persönliche Gewinnmaximierung hinter dem Werten „Heimat“ und „Identität“ (hier nur als Stichworte undifferenziert angeführt) zurückstehen soll. (Siehe dazu meine bisherigen Beiträge auf der Webseite der Margetshöchheimer Mitte vom 7.6. und 15.6.22!)
4. Ein Kernaspekt dieser Diskussion ist das Thema „Energie-Sharing“. Für Großbetriebe ist es möglich, Teile von Wind- oder Solaranlagen einzukaufen und diese (vereinfacht gesagt) auf den Konzern anrechnen zu lassen. Als kleiner Hausbesitzer kann ich das nicht. Zur Verdeutlichung: Ich erwerbe eine Solaranlage auf einem Dach hier in der Gemeinde, sei es z.B. auf dem Flachdach eines Unternehmens oder z.B. auf der Schule. Die gewonnene Energie darf ich als nicht meinem Hausverbrauch zurechnen, bei der Großindustrie sieht das anders aus.

Ich würde mich freuen, wenn es uns gemeinsam gelänge, dieses von SPD und CDU/CSU in Berlin aufgebaute Hindernis so bald wie möglich zu beseitigen. Gerade in diesem Bereich könnte die FDP gemeinsam mit den Grünen und der SPD bürokratische Hindernisse aufheben, z.B. ein Ende der Besteuerung des Eigenverbrauchs bei kleinen Photovoltaik-Anlagen, das Erlauben des Energiesharings, das Vereinfachen des Steuerrechts besonders für kleine, aber auch für Großanlagen.

Es gibt noch viele Dachflächen außerhalb der sensiblen Bereiche wie die Ortskerne. Und ich weiß von Bürgerinnen und Bürgern in Margetshöchheim außerhalb des Ortskerns, dass sie gerne Solaranlagen auf ihr Dachs setzen würden, gäbe es nicht die komplizierten rechtlichen und bürokratischen Hürden. Hier wäre in kurzer Zeit – sofern es Lieferketten und Handwerkermangel zulassen – eine Photovoltaik-Revolution gegen den Klimawandel möglich.

Erlauben Sie mir noch einen Nachtrag in einem anderen Bereich: Ich bin in einem kleinen Ort (189 Einwohner) groß geworden und habe den Ort und die Landschaft lange Zeit als einen Teil von mir angesehen, bis dort eine Flurbereinigung und ein ungezügelter Ausbau von Großhallen das Ortsbild und die Landschaft zerstört haben. Ein historischer Hohlweg, ökologische Wiesen, der freie Blick auf die kleine Kapelle usw. sind verschwunden. Wenn ich heute dorthin zurückkomme, gibt es jedes Mal ein schmerzliches Erinnern, dass dieser Ort nicht mehr meine Heimat ist.

Ich grüße Sie und würde mich freuen, dieses Thema mit Ihnen ausführlich weiter zu diskutieren.

Gerhard von Hinten

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